An der Südostgrenze Ostfrieslands gelegen, kam der heutigen Gemeinde Uplengen schon früh eine besondere Bedeutung zu. In ihrem Ortsteil Großsander ragte eine Sandzunge am östlichen Rand der ostfriesischen Geest in das Lengener Moor hinein. Diese ermöglichte als einzige einen Übergang über das Moor und hob hierdurch die ansonsten gänzliche Trennung Ostfrieslands und des Oldenburger Landes auf. An eben dieser strategischen Stelle markierte im 14. und 15. Jahrhundert Burg Uplengen eine der wichtigsten Grenzbefestigungen gegenüber dem Oldenburg-schen. Der Name der Gemeinde lässt sich auf den Flurnamen „Länge“ als „schmaler Landstrich“ oder „Landzunge“ (plattdeutsch linge) zurückführen. Ergänzt um die niederdeutsche Präposition up (für „auf“) weist der Gemeindename damit letztlich auf die Lage des erhöhten und zuerst besiedelten Geestgebiets inmitten einer Moorlandschaft hin.Die Besiedlung des Landstrichs reicht zurück bis in das späte 8. beziehungsweise frühe 9. Jahrhundert. Erst im Jahr 2002 konnten archäologische Grabungen einen Siedlungsplatz in Großoldendorf belegen, der für diese Zeit zu datieren ist. Auch in Hollen und im Ortskern des Hauptortes Remels belegten Keramikfunde und die Freilegung von Grundris- sen und Brunnen diese Vermutung. In Ostfriesland bisher einmalig ist der Fund einer vergoldeten Heiligenfibel mit Emaileinlage, die der ersten Hälfte des 9. Jahrhunderts zugeord net wird. In den „Werdener Urbaren“, den Besitzrechtsverzeichnissen des Klosters Werden an der Ruhr, wurden die Siedlungen Selverde (als Seluuida) und Hollen (als Holanla) um das Jahr 900 erstmals urkundlich erwähnt. Die Reste von vorgeschichtlichen Bohlenwegen weisen aber auch darauf hin, dass sich der Mensch hier schon weit vor Christi Geburt Wege durch das unwegsame Moor bahnen konnte.
Als sich der Moormerländer Maler und Grafiker Herbert Buß im Rahmen einer Ausstellungsvorbereitung im Sommer 2016 zu einer künstlerischen Spurensuche durch das Uplengener Land aufmachte, rückte schnell das kulturelle Erbe der Gemeinde in seinen Fokus. Charakteristische Bauten, die sich bis heute erhal- ten haben, und der Nordgeorgsfehnkanal als frühere Lebensader haben so Eingang gefunden in die vorliegende Radiermappe. Eine der fünf kleinformatigen Aquatinten ist dem ältesten im Gemeindegebiet erhaltenen Sakralbau, der vermutlich im 13. Jahrhundert entstandenen St.-Martin-Kirche in Remels, gewid- met. Die ursprünglich aus Granitquadern errichtete romanische Saalkirche erinnert unter der Hand von Herbert Buß an ihre frü- here Funktion als ev.-luth. Wehrkirche am äußersten Rand von Ostfriesland. Erdverwurzelt und kräftig wie der Baum, der neben ihr - bis zur Bildmitte - ausgreift und sie hierdurch symbolisch
stützt. Auf die Wehrhaftigkeit verweist auch die Darstellung des Ostertores, das lange Zeit als Wehrturm der Kirche diente, und heute als Wahrzeichen der Gemeinde gilt. Die besondere Lichtsituation und die fast bildfüllende Trutzigkeit schaffen bei Buß aber zugleich die kunstvolle Rahmung für eine buchstäbliche Öffnung zur dahinterliegenden St.-Martin-Kirche.
Zu den herausragenden Profanbauwerken in der landwirtschaf-
tlich geprägten Gemeinde zählen neben einer Vielzahl von Gulf-
höfen auch drei historische Windmühlen, von denen der Künstler den Galerieholländer von Großoldendorf (1887) beinahe majestätisch von einem wolkenbewegten Himmel abhebt. Die alte Poststation von Großsander (1776), deren Pferdestall Mitte der 1960er Jahre als Wahrzeichen und Freilichtmuseum des Ortes neu entstand, markiert mit ihrem Fachwerk und der Form des Krüppelwalmdachs die Nähe und den Übergang zum Ammer-ländischen.
Ein Höhepunkt der kleinen Werkgruppe bildet die Aquatinta-Radierung vom Nordgeorgsfehnkanal, in der Buß die Spiegelung des Gewässers bewusst inszeniert und die Abstraktion des Bildgegenstandes am weitesten vorantreibt. Dass der Künstler seine Platten wieder und wieder bearbeitet und der Ätzflüssig- keit aussetzt, verleiht seinen Blättern einen eher unüblichen malerischen Ausdruck. Poetisch, kristallin und der Zeit entrückt, gewinnen die bekannten Uplengener Bildmotive in seiner Interpretation damit zugleich einen überzeitlichen Charakter und erinnern an die Kraft des kulturellen Erbes.
Dr. Lübbert R. Haneborger
Presseartikel zur Ausstellung I
Presseartikel zur Ausstellung II